Journal Name:
- Annales de la Faculté de Droit d’Istanbul
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Abstract (Original Language):
Die historische Entwicklung über die Jahrhunderte hinweg
verdeutlicht, dass sich die „Idee Europa“ nicht bloß auf einen geo-
graphischen Begriff bezieht, sondern vielmehr auf einen ideellen
Wertebegriff. Europa und das Europäische sind in erster Linie eine
Idee. So ist Europa etwa wesentlich durch die Vielfalt seiner Spra-
chen und ethnischen Gruppen charakterisiert. Allein innerhalb der
Länder der EU gibt es neben zahlreichen nicht indigenen Sprachen
ungefähr 80 indigene Sprachen, wovon sich die 20 offiziellen Amts-
sprachen der EU geradezu als gering ausnehmen. Es wird einer
vermehrten „interkulturellen Zusammenarbeit“ bedürfen, um,
abgesehen von historisch gewachsenen Gegebenheiten in den Mit-
gliedstaaten, den unterschiedlichen Mentalitäten der Unionsbürger
Rechnung tragen zu können. Europa als Idee ist demnach die Idee der Vielfalt. Vielfalt steht
für die Einheit der Unterschiede. Europa fasst die geographischen,
linguistischen, historischen und kulturellen Unterschiede seiner
einzelnen Mitgliedstaaten und Regionen zu einer großen Einheit
zusammen.
Auf dem Gebiet des Rechtes fußt Europa zunächst auf der Tra-
dition eines lateinisch geprägten Europa. Die lateinische Rechts-
kultur hatte sich zwar in den nationalen Kodifikationen ab 1789
weitgehend aufgelöst und Latein wurde als europäische Universal-
sprache durch die jeweiligen Landessprachen ersetzt. Doch zeichnet
sich heute eine „Re-Europäisierung“ der Rechtswissenschaft unter
Einbeziehung des angloamerikanischen Rechtskreises ab. Der Weg
der Rechtswissenschaften scheint von Bologna nach Brüssel zu
weisen, um einen Bogen von der Wiege der europäischen Rechts-
wissenschaft im Hochmittelalter bis zur Europäisierung von heute
zu spannen.
Zur „Idee Europa“ gehört gleichfalls, dass Europa auch als Wer-
tegemeinschaft zu verstehen ist. Eine solche Wertegemeinschaft hat
die Geschichte Europas über Jahrhunderte hinweg begleitet. Neben
der Berufung auf die Tradition des christlich geprägten Kontinents
bildet vor allem die Beachtung der Menschenrechte (insbesondere
der MRK) eine wesentliche Basis für die Wertegemeinschaft. Als ein
zentraler Pfeiler der europäischen Wertegemeinschaft gilt weiters
die Verankerung Europas in einem freien politischen Sys tem, das
einem Totalitarismus jeglicher Art eine Absage erteilt. Die Dau-
erhaftigkeit der europäischen Wertegemeinschaft zeigt sich etwa
besonders dann, wenn diese Werte vorübergehend verschüttet
sind, so wie dies in den Staaten des ehemaligen Ostblocks während
mehrerer Jahrzehnte der Fall war.
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301-327